Homepage des Germanistentag22-Panels „Weder Fail noch Lobgesang: Nicht-eindeutige Wertung von Literatur im Digitalen Raum“
home | Beschreibung des Panels |
Vortragsabstract für das Panel „Weder Fail noch Lobgesang: Nicht-eindeutige Wertung von Literatur im Digitalen Raum“ auf dem 27. Germanistentag 2022, Universität Paderborn, organisiert von Berenike Herrmann (Bielefeld) und Maria Kraxenberger (Stuttgart).
Sowohl Lese- als auch Rezensionsprozesse haben sich durch die digitalen Medien verändert: Individuelle Urteile über Bücher in Online-Medien sind sichtbarer als analoge Äußerungen, außerdem textuell-performativ, persistent und potenziell interaktiv, um nur einige Charakteristika zu nennen. Es liegt nur nahe, zu vermuten, dass derartige Veränderungen der pragmatisch-situativen und medio-sozialen Aspekte sich auch auf die Inhalte rezensiver Online-Texte übertragen. Wie genau allerdings die neuen medialen und sozialen Einbettungen von Online-Rezensionen sich auf der Textebene und beispielsweise auf die literarische Wertung und Urteilsbildung sowie insbesondere deren Eindeutigkeit niederschlagen, wurde bisher nur wenig untersucht. Gleichwohl existieren Vorurteile darüber, dass Online-Rezensionen primär an Verkaufslogiken orientiert seien und davon bedroht, in eine über-eindeutige Empfehlungskultur des „Likens“ zu verfallen. Im Rahmen des interdisziplinären Forschungsprojektes Rez@Kultur, das von 2017 bis 2020 an der Universität Hildesheim sowohl qualitativ als auch quantitativ Online-Rezensionen analysierte, wurden hierzu wichtige Grundlagen erarbeitet. Mithilfe großer Textkorpora u.a. von Amazon.de und der Leseplattform Buechertreff.de wurden Fragen nach Mustern in rezensiven Texten unterschiedlicher Plattformen beantwortet. Hierfür wurde ein umfangreiches Kategoriensystem erstellt, welches es erlaubt, rezensive Texte hinsichtlich ihrer inhaltlichen und stilistischen Bausteine zu codieren. Im Anschluss wurden erste Versuche unternommen, diese händischen Codierverfahren maschinell zu erweitern und zu präzisieren. Auf Basis dieser Vorarbeiten möchte der geplante Vortrag sich auf die Wertungsprozesse innerhalb von Online-Rezension auf Amazon.de und Büchertreff.de fokussieren. Dafür liegen bereits Annotationsdaten vor, welche die vier Kategorien „positiv“, „negativ“, „ambivalent“ und „neutral“ umfassen, die zu diesem Zweck ausgewertet werden. Im Abgleich mit Polarity-Wortlisten (German Polarity Clues [1], SentiWS [2] und Morphcomp [3]) ermöglicht dieses Vorgehen quantitativ gestützte Aussagen nicht nur über die Urteilstendenz von rezensiven Texten, sondern auch über deren Eindeutigkeit, Neutralität und Ambivalenz.
Anna Moskvina hat theoretische, angewandte und experimentelle Linguistik an der Staatlichen Linguistischen Universität Moskau (2007-2012) sowie Computerlinguistik an der Universität Stuttgart (2014 bis 2017) studiert. Seit 2017 arbeitet sie als Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Hildesheim. Von 2017 bis 2020 war sie Mitarbeiterin im Forschungsprojekt Rez@Kultur und dort für die Sammlung und linguistische Bearbeitung von Forschungsdaten verantwortlich. Seit 2020 ist sie Mitglied in der German Society for Computational Linguistics and Language Technology (GSCL). In ihrer Dissertation beschäftigt sie sich mit der Verwendung von neuesten Deep-Learning-Methoden in den Digital Humanities.
Kristina Petzold hat Germanistik und Psychologie sowie Literatur und Medienpraxis in Jena und Essen studiert. Von 2016 bis 2017 war sie Mitglied des Promotionskollegs der Hans-Böckler-Stiftung „Die Arbeit und ihre Subjekte“. Von 2017 bis 2020 forschte sie zu digitalen Rezensionsprozessen im interdisziplinären Forschungsprojekt Rez@Kultur an der Universität Hildesheim. Seit 2021 ist sie Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Bielefeld im Sonderforschungsbereich (SFB 1288) „Praktiken des Vergleichens“ im Teilprojekt „D05 – Vergleichendes Lesen“. Ihre Dissertation beschäftigt sich mit Buch-Blogs und deren Diskursivierung als Fankultur, Literaturkritik und (Nicht-)Arbeit.